Der wahre Aufbruch
Am nächsten Tag rief ich nach einem Taxi. Mag der Trubel toben, mögen Geigen im Himmel hängen – mein Ziel wollte erreicht werden, ohne Umweg.
Der Schoffeur nickte nur zu meinem Wunsch Busbahnhof und klickte auf seine Musikmaschine, die ihr Spiel offenbar nur kurz unterbrochen hatte. Der langsame Satz der Kleinen Nachtmusik füllte den engen Raum…
„Na, Gnädigste, was sagen Sie zu diesem Theater?“, fragte mich Schoffeur, doch noch bevor ich nach einer positiv (ma non troppo) getönten Antwort suchen konnte, setzte er fort: „Schon geil, irgendwie. Die ganze Stadt tickt auf einmal so – dings. Ein Schwung, und nur wegen dieser Musik! Ich sag Ihnen, das ist besser als Politik. Und Streiterei. Nur, ein neues Schwimmbad kriegen wir vom Herrn Geigenspieler nicht.“
Ich musst ihm zustimmen.
„Und, das Ärgste: Meine Frau hat einen Kurs belegt: Kontretanz. Sie schwärmt jetzt schon. Hin und her zu zweit und durch lange Gassen…“
Mit viel Gelegenheit, andere Hände zu fassen. Blickkontakt zu anderen Augen, ein Wegdrehen und Erglühen…
Der Wagen hielt. Während ich bezahlte, fragte er ein wenig arglos: „Was glauben’s, Gnädigste, soll ich mitmachen? Tanzen?“ – „Das wäre ein guter Ausgleich fürs Taxifahren.“
Der Bus brachte mich ohne Komplikationen weit hinaus aufs Land, ein Spaziergang bergauf zum Kleintierzoo. Eingebettet zwischen Waldrand und Felsen, geschützt durch Zäune: Zwergziegen beim Klettern und Ruhen, beim Spurt, wer als erstes den Ruheplatz auf dem Baumstumpf eroberte. So viel Tüchtigkeit und soo eine Müdigkeit an der Flanke der Mama.
Sollte ich der Fränzi schon jetzt mein Geschenk an Belinda und Coldie und die ganze Familie verraten?
Ein Film läuft ab: Belinda und Coldie beim Betreuen und Liebhaben. Jedes Kind hätte sein Zicklein…und würde ihm Kunststücke beibringen, Bretter zum Drauf-Balancieren anschleppen…
Darf man Zwergziegen zu sehr verwöhnen? Was bewirkt eine Überdosis Salat? Was macht das mit dem Familienleben, wenn die zwei sagen: „Heute schlafen wir bei den Ziegen“?
Das Gemeckere im Gehege, die leisen Geräusche der Hühner nebenan, die Stimmen von Publikum hier und dort… – mit einemmal geriet ich in einen Flow…wie ein Bett aus Fell und Federn und grenzenloser Harmonie zwischen mensch und Tier fühlte es sich an.
Wo war ich am Tag zuvor? In einer gewittrigen Widerstandszelle vor dem Ereignis Mozartmania.
Rückfahrt im Bus: Zwischen den Ansagen der Haltestellen erklang Mozarts Symphonie in G-moll-