Der Knall am frühen Winterabend

kam unerwartet. „Wer schießt dort draußen rum?“, fragte ich mich und ging raus in den Hof. Alles finster. „Wer hat die Lampe im Schuppen erschossen?“, lautete meine nächste Frage, und ich nahm Mut und Taschenlampe, um den Fall zu untersuchen.
Ergebnis: Der Wind hatte die Schuppentür zugeworfen. Drin die Lampe, die ruhig weiterleuchtete.
Trotzdem, ein wenig Sorge blieb zurück (Angst? – auf keinen Fall!): Wer hätte mich in einer echt gefährlichen Situation beschützt? Nachbarn, wenn meine Rufe laut genug und die Hilfe rechtzeitig erfolgt wären? Ja, sicher. Polizei? Ach bitte, weil, zuerst mal das Handy finden.
Rettung von oben? Sturm, Blitz und Donner?
Ich wäre die erste, die sich verkriecht.
Und weiter, nach ganz oben, wo der blaue und der graue Himmel sich wölben und nur mäßige, wetterabhängige Freundlichkeit signalisieren. Jenseits davon aber Kälte und Gleichgültigkeit. Nichts, das ein leises „wie traurig!“ ausgerufen hätte, wäre ich durch den Knall getötet worden. Teilnahmslosigkeit auch allen anderen Milliarden Lebewesen gegenüber, das sollte man ebenso nüchtern zur Kenntnis nehmen. Himmelszelt, ein trügerisch-tröstliches Wort für: Wenn du Schutz brauchst, kümmer dich selbst darum, dummes Ding!
Die Gedankenreise bringt mich auf schnellstem Weg zurück nach Hause, wo ich erst mal zusperre, was Schlüssel und Schloss besitzt. Dann: Alles verrammeln. Die im Inneren entstandene Höhle weich und wohnlich gestalten. Wolle rundherum, Pullover, mindestens drei. Mich einrollen und selig vergessen, was drohen könnte…-
Was eine trügerisch-tröstliche Befindlichkeit, die einem Tausende von imaginierten Schrecken durchs Bewusstsein jagt, so lange, bis ich die Höhle niederreiße, ausbreche und durch die stillen Gassen rufe: „Hört her, ihr Lieben, hier ist meine Hand, hier meine Furchtlosigkeit! Wenn irgendwer von euch in Not ist, sagt es nur, denn in mir schlummert ein Löwe mit Mut, der auch vor dem entsetzlichsten Knall (in Haus und Hof) die Nerven bewahrt!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Seltsame Früchte

Paprikosen – Brote Rüben – Gedankensalat – Gartensch-Lauch – Pferdeäpfel – Petrasilie – Kopfnuss – Rhabarbara – Paradieser – Manngold – Anpflaumen

 

Würde Mozart

auferstehen aus seinem Himmel, der bestimmt voller Geigen und Klaviere hängt, und zufällig in den Morgenstunden eines heftigen, eben ausklingenden Raves landen, er würde zuerst mal fragen: „Weiß denn auch Euer Erzbischof davon?“
Und dann, etwas abgehoben schwebend, um sein Gehör zu schonen, und sehr verwundert über das Gehopse, ein anmutiges Menuett komponieren, zu dem es sich richtig tanzen lässt. Für die Müdigkeit après empfiehlt unser Wolfgang viel Gebratenes und Gekochtes aus Salzburger Gasthöfen, dazu ein paar Flaschen Rosso di Marco. (Den Roten Bullen kickt er einfach zur Seite.) Als Tafelmusik lässt er sein Violinkonzert Nr. 3 einspielen, weil, er hat alles, fremde Sprachen, interaktiv-Menschliches, Musik-sowieso und Zusammenhänge-allgemein immer schnell begriffen, und jetzt auch die Mysterien v. Streaming.
Violinen also. Doch noch vor dem Ende der Fete erklingt von oben Exsultate jubilate: so reine Engelstimmen, hach!
Und Mozart, ein wenig durcheinander vom Event, fährt dankbar auf, zurück in seinen Himmel aus Geigen und klarem Geist.

Gesundwerden

rückt näher. Fühl mich wie beim Aufstieg aus einem Keller ohne Wärme, mit einem Gefühl wie Einzelhaft auf Matratze mit Stacheln, die genau den linken Fuß pieksen,
doch, weiter rauf ans Tageslicht, und da seh ich, was zu tun ist, der Schuppen vergammelt, Urwald wächst aus den Rändern ins nützliche Grün, und die Enten sind unzufrieden und zeigen das sehr deutlich, sodass ich gleich wieder im Keller versinken möchte, vielleicht nicht ganz unten, aber fern jeder To-do-Liste, leider auch fern vom Leben, von der Hilfsbereitschaft so vieler Menschen ganz nah und auch mittelfern, aber was war es denn sonst, was links und rechts von mir und vor allem innen bebte und summte und forderte, wenn nicht das Leben persönlich, teuer und treu?

Einsam in trüben? Tagen

A:          So kann man nicht leben.
I c h:     Wie kann man nicht leben?
A:          Na so wie du lebst.
I c h:     Siehst doch, dass ich so leben kann.
A:          So allein kann man in echt gar nicht leben.
I c h:     Ich bin nicht allein.
A:          Doch. Ziemlich allein.
I c h:     Fühl mich aber nicht allein.
A:          Sieh dich doch mal um: Ist irgendwer wirklich da?
I c h:     Du bist da.
A:          Das zählt nicht.
I c h:     Doch.
A:          Nahe Angehörige zählen nicht.
I c h:     Erklär mir das mal-
A:          Deine Antwort ist nur eine Flucht vor der Tatsache, dass du tatsächlich
allein bist. Flucht, um den Kummer nicht zu spüren.
I c h:     Wenn ich auch noch Kummer hätte, wären das schon zwei Kümmernisse:
               Das des Kunmers und das des Alleinseins.
A:          Na bitte: Eben hast du zugegeben, dass du allein bist!
I c h:     Es war eine rein theoretische Definition von fiktiven Versionen einer abstrakten Präsenz von Kummer. Außerdem genügt es, mich auf die nackte Erde zu legen, zu hören, wie Wasser in die  Wurzeln dringt, wie es die Lebewesen dort unten ernährt, und wie sie miteinander kommunizieren, von weit entfernten armen und reichen Wesen berichten, die sich nicht einsam fühlen, weil ich ihnen Nachrichten sende: von mir über Wasser und Wurzeln und unbekannte geheime Bahnen, aber das alles funktioniert nur mit geschlossenen Augen und-
A:          (Nicht mehr da.)