Immer, wenn die Zeit

der Tag- und Nachgleiche sich nähert, überkommt mich die Angst vorm nächsten Winter. Angst vor Kälte, vor einem möglichen Nein des Holzhändlers meines Vertrauens. Angst vor Defekten an Herd, Ofenrohren und Kessel, vor Schwäche-Anfällen, die es mir unmöglich machen, genug Holz ins Haus zu schaffen. Angst vor wochenlangen Temperaturen um minus 15 Grad und schlimmer.
Kälte macht bitter und ungerecht, und eine ungesunde Gesichtsfarbe. Neid schleicht heran, Neid auf alle, die zwischen November und März sorglos im T-Shirt Cocktails schlürfen.
(Ich schreibe mit Absicht Angst und nicht Furcht, weil der Begriff Angst mit Irrationalem verbunden wird. )

Dann aber – bis jetzt in jedem Jahr! – kommt der September:
Die abstrakte Angst ist einem konkreten Holzvorrat vor der Hütte gewichen, der Herd geputzt, meine Kondition schwingt im Geiste schon die Axt, und die Vorfreude auf Musik & Literatur am stillen Herd zur Winterszeit leuchtet auf wie dunkelroter Tee. Und wenn es wirklich biestig kalt ist, tu ich halt noch zwei, drei Buchenscheite in den Herd, vergrabe mich unter Bettecke und Tuchent und verpasse dem Wort Sommergast einen neuen Sinn: Sommer, sei Gast bei mir! Nur für eine Stunde!

Wärme macht einen besseren Menschen aus mir und lässt mich wünschen, alle, alle Wesen der Welt mögen sich ebenso wohlig umfangen fühlen, und nie mehr unter eiskalten Füßen und kühlen Gefühlen leiden.

Jeden Tag

nehme ich mir Zeit, die ich überraschenderweise immer finde, ohne sie gesucht zu haben, und sehe meinen Enten beim Entendasein zu. Es besteht nur aus Futtersuche, Trinken, Baden, Gefiederpflege und Hormonen?
Was sich immateriell zeigt, ist Persönlichkeit:

Die S c h w a r z e: alt und klug. Meine „Hochschulabsolventin“ in Warzenentenangelegenheiten.

E d e l: unauffällig, sehr hübsch. Gutmütig nur bis zum Rand vom Fressnapf.

E v c h e n: „Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg!“

M a d  a m e: „Hat wer was von Fressen gesagt? Ich bin dabei, ganz vorn!“

E c k h a r t: Nicht mehr soo fit, fühlt sich aber verantwortlich. Für alle.

B i a n c o:  Kraftlackel. Verspielt. Weiberheld, nicht nur hormonbedingt. Auch mit Charme!

und J u d y, schwimmt schon lange auf dem ewigen Teich. War meine Ente, die sprechen konnte. Nonverbal. Und Jette und Mädi und Joplin…

Was ist es, das diese Aufmerksamkeit für Tier hervorruft?
Warum gelingt mir das nicht, nicht immer mit Mensch?
Weil zu viele „Vibrations“ im Spiel sind, das auch ernst ist?
Weil Gespräche rasches Reagieren fordern – man kann nicht in einem Augenblick den Erfahrungshintergrund der Person-gegenüber durchleuchten, berücksichtigen und die einzig richtige Antwort finden?

Es war in einem Roman mit Schauplatz Reservaten der Navajo, wo der Besuch erst mal minutenlang und länger stumm vor dem Gastgeber verweilte. Zeit zum Denken, Zeit für Respekt. Dann erst kam die Sprache zur Sprache, und ich finde, das ist gut so.

Vielleicht aber haben meine Entenbetrachtungen ganz einfach mit Verantwortung zu tun. So wie Eltern ihre Kinder, Erzieherpersonal ihre Anvertrauten sehen wollen/müssten.
Die Starken beschützen die Schwachen. So einfach ist es.

Bericht

Wir kommen aus schlimmen Sümpfen, von erhabenen Bergen in komischen Ländern, aus den Hütten des Schmerzes und der Gnade, wir fahren einher aus dem Süden, Imagination der Unbeschwertheit und schauen mit vorsichtiger Scheu auf das Eis des Nordens.
Von den Sternen kommen wir, könnte man sagen, bedenkend, dass ihr Licht auf unsere Wege fällt. Dass auch das Meer unsere Wiege war, ist gewiss – so viel Wasser hat der Mensch eingelagert in seinen Zellen und Sehnsüchten. Von früheren Schicksalsstürmen kommen wir und von der so flüchtigen Sommerseite: Kaum genossen, schon verflossen. Und, wir sind uns nur manchmal der vergangenen Untaten bewusst und erinnern uns gern an die Reinheit von Handlung und Gewissen.
Aus tiefer Finsternis landen wir im Licht, atmen zum ersten mal…- könnten wir die begrenzte Zahl der Sekunden von da an schätzen und nützen!
So oder so oder ganz anders: Wir kommen aus Mutterbäuchen. Gesegnet seien sie, rund und gesund!

Es begab sich im Zug

Zug Wien-Ostbahnhof – Berlin-Lichtenberg. Großraumwaggon, ziemlich viel Platz zum Ausbreiten von Proviant, Lektüre und zum dezenten Bespaßen von Katze. (Ja, sie hat das gut überstanden. Für lange Zeit verreisen ohne Katze : Keine Option.)
Irgendwann, im Lauf von vielen Kilometern, mit Aussicht auf Moldau und Freude auf die sächsische Schweiz, mit Langsamfahrstrecken und Wartezeit in Verkehrsknoten, wird das spannendste Buch öde. Wird der Blick auf den Reisenden-gegenüber gelenkt. Aber oh, so einer! Outfit wie Strizzi. Blick provokant. Frage, warum er so schaut, unmöglich. Ist ja in Tschechien zugestiegen. Irgendwann greift er nach meinem Buch, untersucht es, legt es zurück. Leichtes Grinsen im Gesicht.
Weiterbummeln. Erklärende Durchsage auf Tschechisch.
Lust auf Kaffee.
Wanderung zum Speisewagen riskant. Was, wenn Strizzi sich auch für meine Katze interessiert? Sie mit einem Griff aus dem Transportbehälter zerrt und aus dem Fenster schmeißt? Wenn die Mitreisenden tatenlos zusehen?
(Fenster zum Öffnen, um sich den Fahrtwind um die Nase wehen zu lassen, das gab es damals noch.)
Die Gegend verändert sich. Nordböhmisches Industriegebiet wechselt mit wilden Felsen und unlieblicher Landschaft.
Kaffeedurst.
Misstrauen.
Irgendwann beschwor ich Strizzi  stumm, meine Katze gefälligst in Ruhe zu lassen, ging Kaffeetrinken, kam zurück und, natürlich fand ich Katze schlafend, unversehrt. Happy End, und das noch lang vor Dresden.

Schauplatzwechsel: Berlin, spät am Abend, früh in der Nacht. Ich stieg aus der Tram, noch das abendliche Event im Kopf, und da stieg noch einer aus, ging auf einmal neben mir her und machte Konversation in urberliner Mundart. Einer mit gefühlten 25 Generationen Berlin-Background. Einer, der gut 15 Jahre jünger war als ich. „Kommste aus Ösiland? – „Ja.“
Und immer so fort. Und immer sehr nett und sehr höflich.
Zwei auf dem selben Heimweg?
Vorm Haus mit dem schäbigen Eingangstor, wo dahinter ein reichlich versiffter Hinterhof zu meinem Hinterhaus führte, sagte der junge Mann einfach nur tschüs, viel Spaß noch in Berlin. Weg war er. Hatte seine Mission erfüllt, die Fremde sicher durchs wilde Friedrichshain zu geleiten, das damals noch fern von jeder Gentrifikation ein wirklich „gefährliches“ Pflaster war.

Angst, Misstrauen oder Vertrauen – Was für ein Zeichen zeigt uns den Weg?
Braucht mensch Instinkt und Geruchssinn wie ein Hund?
Was ist es, das ein unbekanntes Gegenüber verdächtig scheinen lässt? Gibt es eine Art Harmlosigkeitsausstrahlung, durch die Haut, aus den Augen? Wann wie wo warum schrillen Alarmglocken?
Mir kommt vor, mit zunehmendem Alter funktionieren die Sensoren besser. Nach und nach, mit Option für Irrtümer ab und zu.
Doch, Jugend und Kinder brauchen genau diese Fähigkeiten viel dringender!

 

 

Die Stimmen

von innen und noch weiter drin streiten seit Monaten und kämpfen einen aussichtslosen Kampf:

Ich will nicht. Alles zu anstrengend, zu viel. Zu bä./
Und, was ist es, das du willst? /
Ruhen. Denken. Der Welt zuschauen, wie sie sich dreht. /
Du findest, dass das ausreicht? /
Ja. Bin nun mal mehr fürs Kontemplative. /
Aber, was wäre, wenn alle so denken wie du? /
Von mir aus darf jeder denken, was er will. /
Oke oke, und was wäre, wenn jeder so handelt wie du? /
Tut nicht jeder. Sieht man ja an der Hektik überall. /
Sie alle – fast alle – dort draußen tun auch was für andere! /
Ja und? Wenn ich kontempliere und gute Gedanken nach dort draußen sende, bin ich nicht auch – na schön: nicht wohltätig, aber – wohldenkend? /
Doch, aber. Ach, mach was du willst. /
Danke. Und rück mir bitte gleich mal den Liegestuhl zurecht!