LandSchafft!

Ebenes Land macht mich ruhig. Kein Bedürfnis, es zu füllen. Eine Ebene ist abwechslungsreich genug. Riecht mal nach Getreide, mal nach Schnee. Klingt weithin vom Ruf der Krähen, vom Tosen der Stürme im Herbst. Das Signal vom Fernzug und ein gelindes Erschrecken darüber? Nur der Beweis für das Große OhneAlles, das sich sonst immer, Immer, hier ausbreitet.
Sonne, die am Rand des flachen Landes untergeht, hat die Gabe, die zerfließenden Farben am Horizont mit Sehnsucht zu tränken, mit tiefer Zufriedenheit, mit Ergebenheit oder dem Drang, sich jetzgleichaufderStelle hinzulegen. Dem Gras mitteilen, dass man ihm vertraut. Gras dankt und wärmt. Vielleicht. Für ein, zwei Stunden.

Gebirge dagegen fordert. Zwingt den Blick auf Gipfel, Steilhänge, Felsrinnen und Klettersteige. Lässt schaudern. Es treibt dich davon, zugleich zwingt es die Aufmerksamkeit auf sich selbst. Du musst reagieren. Ehrfurchtsvoll staunen. Doch das genügt ihm nicht, dem Gebirge, oder dir selbst, denn es hat sich bereits verinnerlicht in dir – nein,
ehrlicherweise heißt es in mir, es ist ja meine Erzählung, und nur ich weiß, was hier zählt:
Die absolute Verweigerung. Ich steige nicht rauf.
Und, falls mich ein obskurer Mechanismus nach ganz oben befördert hätte, ohne mich zu fragen: Ich schau nicht runter. Interessiert mich null, was dort abgeht. Zedern? Nebelwand? – Vergiss es.

Viel lieber würde ich mich auf die Terrasse eines Berggasthofs setzen. Kopf in die Arme, Arme um die Knie, und mit geschlossenen Augen davoneilen. Bergab, bergab, schneller als ein Bussard, viel schneller als der Postbus…
Ich nähme die Diretissima, könnte mir beide Beine brechen, doch der Mut macht mich stark, die Vorfreude unverwundbar. Denn bald hab ich die vorgelagerten Hügel erreicht – in meiner Vorstellung rolle ich die Wege hinab – weiche Höfen und Weiden aus, bis ich sie erreicht habe: meine Ebene.
Wiedersehensfreude! Wie begeht man sie? In herzlichster Umarmung. Geht nicht? Tu ich halt laufen. Sie, die Ebene umkreisen, zuerst in fliegender Euphorie, weiter, in gemächlicher Gangart, am Ende nur noch Schritt für Schritt, ohne mir die Erschöpfung einzugestehen.
Ausruhen. Ohne ruhig zu werden. Verwunderung. Herzschlag der rasenden Heimkehr hat die alte Zufriedenheit verscheucht.
Das Große OhneAlles ist nun zu wenig.
Hinlegen und dem Gras guten Abend wünschen?
Später.
Muss tun.
Und machen.
Der Ebene einen Rahmen aus Hügeln zeichnen. In bunten Strichen ein paar Häuser, nein, ein ganzes Dorf an seinen westlichen Rand. Mit Rindern und Kindern und Hunden und Kirschbäumen. Weit weg ein Mähdrescher. Die Straße (ans Meer. Bloß nicht ins Gebirge) kaum sichtbar, doch notwendig. Morgen werden LKWs viel Bier und noch mehr zum Gasthaus transportieren, Pendler werden pendeln, und Schulkinder zur Schule fahren.
Ich werde aufwachen nach einem lächerlichen Traum und in den Tag platzen mit einer wilden Lust, alles durchzustreichen.
Flaches Land, leerer Raum, nur hier ist der Ort für mich, wo alles möglich ist.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Einmal neben mir

und gut war’s. )*
Nicht weggetreten.
Hatte nichts mit Chillen zu tun
und mit Trance erst recht nicht.
Hatte nur weggeschoben, was ein Zuviel war für Augen, Ohren, Puls und das Verarbeitungszentrum dahinter.
= Adieu, Welt.
Für kurze Zeit.

Der Raum dahinter zeigt, was schlicht ist und wahr. Und Ruhe bringt.

Ist nicht neu.
Ist da und nicht da seit…? …Jahren?

Was Wahres, das zu uns gehört. Mathias Claudius wusste es, und und und Audrey Assad, dessen Gedicht als Song noch eindringlicher wirkt als seine Worte (sie fetzen. Sanft.):

,,Swift to its close ebbs out life’s little day
Earth joys grow dim, ist glories pass away
Change and decay in all around I see
O Thou who changest not, abide with me…“ https://www.youtube.com/watch?v=gpLsLuuVmtk

*) Ein immer-wieder-neben-mir, seit Jahren, Jahrzehnten.
Nichts Besonderes. Jedes Kind kann es.

Glücksfälle

manchmal im Leben erlebt, und auch in einer  gutbösedurchmischten Gegenwart:

Zwei Leute in einem Raum – Raum darf nach oben offen sein für Luft und Sonne – , die einander vertrauen. In Gedanken nur Zuneigung. So auch in den Worten. Sich geachtet wissen, gut aufgehoben und beschützt. Ohne Konkurrenz. Kein irgendwas-vorspielen-Müssen. Trotzdem hellwach, um in der Wertschätzung des Augenblicks nicht schläfrig zu werden.

Was macht der Fall von Glück mit mensch?
Größer macht es ihn. Mächtiger nach außen, und doch mild.

Beim Öffnen der zweiten Schublade von links

im Durchgang vom Schuppen entdeckte ich das Sicherheitsschloss, gekauft 2020, bei einem dringend dazwischengeplanten Besuch im Baumarkt.
Nur dringend? Oder panisch?
Wenn ich mir heute die vielen, immer gleichen, manchmal ähnlichen Filme ins Gedächtnis zurückrufe, ist alles wieder da: schneller Atem. Gefühl von Enge. Endlosschleifen der vorweggenommenen Situation v. Bedrohung.

Lange Wochen lang zögerte ich.
„Im Dorf vertraut man einander.“
Immer wieder zeichnete ich Skizzen für den Einbau vom Schloss.
Für die Durchführung nahm ich mir keine Zeit.
Dafür dehnte sich die Zeit vor dem Einschlafen, wenn der Ernstfall sich ohne Einladung vor mir aufbaute:
Da rüttelt wer an der Tür.
Die Tür ist gut verschlossen.
Das Impf-Kommando hat Werkzeug für alle Komplikationen:
Elektrik. Elektronik. Laser. Stahl-zerfetzende Geheimwaffen.
Ich renn davon. Lautlos.
Nicht weit. Nur bis zum Schuppen.
Rauf auf den Dachboden.
Leiter hochziehen.
Warten. Lauschen. Nicht atmen.

Wo sind wir? Wo waren wir?
Fern von den Rechten auf
Persönliche Freiheit,
körperliche Unversehrtheit,
Schutz des Hausrechts.

Auswege?
Flucht.
Verstecken.
Kampfhund.

Die Alpträume mitten in Wach-Träumen werden seltener.
Hoffnung und Erholung sind zarte Pflänzchen.
Fürs Gießen und Gedeihen ist von damals an jeder selbst verantwortlich?

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Seitenstrangangina

Unter der Bettdecke: Frieren, Husten, Schwäche, Schwitzen, Halswickel, Dösen, grimmiges Denken an nichtkonsumierte Sommerfreude, Hustenwickel, Frostschwitzen, Sommerhals, Konsumschwäche, Deckendös.

Über der Bettdecke: Alles, was Freude macht und nach lauem Abend riecht, mit Wein und Salat und far-niente.

Unsichtbar, aber präsent: Das Wort Seitenstrangangina, das sich in einer Ecke zusammenrollt und knurrt, sobald ein Gedanke in seine Nähe gelangt.

W i e d e r   g e s u n d:

Unter der Bettdecke: Sehnsuchtsort. Trägheitsidyll. Abwesenheit von jeder Art Verpflichtung.

Über der Bettdecke und in weitem Umkreis: Muss tun. Gemüse und Getier. Und das auch noch. Unkraut zu unseligen Zeiten in unzumutbaren Zuständen. Und alles andere auch. Je mehr ich Es ablehne, desto stacheliger fühlt es sich an. Dornen schießen an unmöglichen Orten hervor, man möchte ES von sich schleudern – zwecklos.
Die einzige Möglichkeit, es zu entfernen: Man trägt es eifrig und behutsam durch den Tag und entfernt in froher Grundstimmung ein Teil nach dem anderen. Bis ES sich aufgelöst hat.