Neuer Blog: Hören. Lesen. Schreiben. (1)

Was hier fehlt: Sprechen als Output zu Hören.
Macht nichts.
Sprechen kann mehr verbergen als enthüllen.
Es neigt zur Überfülle bei unerfülltem Wunsch nach ehrlicher Offenheit.
Drama, Radio-Drama, Lectures, Lesungen, Poetry-Slam lasse ich draußen. Hier verneige ich mich vor Anspruch, Inhalt und Form. Mein favorisiertes Stück, nicht nur gehört, sondern in mir geborgen, mitgetragen, möchte ich hier gerne – bald – vorstellen und auf einem Ehrenhügel präsentieren.

Weitersprechen übers Nichtsprechen:

Schweigen irritiert oft viel mehr.

„Is was?“
„Warum schweigst du mich an?“
„Schweigen mit dir, das tut so gut…“
„Warum spricht das Kind nicht mit uns?“
Wolfskinder ohne unsere Sprache, immer noch Geheimnis.
„Scheigen mit  mir allein“ (Kurzhörspiel v. D.L.)
„Stille Wasser sind tief.“
(„O ja.“ / „Lasst’s mi einfach in Friedn.“)

Wenn alles schweiget: Warten
auf das erste Wort, ein wahres Wort aus der Stille

, bis ein entsetzlich lautes, grässliches Geräusch alte Damen und junge Hunde erschreckt!
Nein, das tut man nicht, das ist ganz schlechtes Benehmen.

Erstmal Ende. Endlich.

So geht es nicht. Das wollte ich nicht.
Der Text macht, was er will.
Mozartfieber, das unterlief mir aus Versehen, und nun breitet es sich ungewollt aus:

…Kulturreporter schreiben im Lokalblatt, die Stadt fühle sich geehrt, geweiht und ausgezeichnet durch das Schaffen eines begnadeten Musikers. Die Pläne, Festspiele ins Leben zu rufen, werden konkret…die große Oppositionspartei fordert mit Umzug und Demo-Bändern: „Schwimmbad statt Klangbad! Brücken und Schulen sanieren, anstatt zu delirieren!“

Reaktionen der Politik beschreiben – ohne Ironie? Wie denn.
Meinen Text im engen Rahmen von Familie und Umfeld weiterführen? – Auch das Ausblenden von Politik ist eine politische Entscheidung.

Zu allem Überdruss wird zu Ehren von M. ein gigantisches Feuerwerk veranstaltet: …rund um den Stadtturm, zur Ehre unseres kleinen musikalischen Größenwahns, es übergießt ihn mit Blüten in Blau und Rot, knallt und raucht –

Feuerwerk kann ich eh nicht leiden. Macht bloß Ärger:
Fledermäuse, beruhigt euch, fliegt zurück in eure Höhlen, lasst euch hängen und schläft, bis ein vernünftiger Tag im Frühling euch weckt!

Und dann wird Lela mich besuchen und Kaffee verweigern, weil nur klares Wasser klaren Geist bewirkt, den sie dringend benötigt, seit jeden Abend „der Klang“ sie heimsucht, sich in sie versenkt und zum Mitklingen auffordert.

Diese Art Mystik ist mir unheimlich. Fort damit!

Bald feiert Coldies Geburtstag. Die Familienfeier läuft aus dem Rahmen, als der Knabe auf seinen Sessel steigt und verkündet: „Schluss mit ‚Coldie‘! Ich heiße ‚Frieder‘, da steckt das Wort ‚Friede‘ drin, und Frieden will ich schenken!“
Noch vor dem Ende seiner Rede (während Belinda zwei Bananenstücke aus der Tortenglasur stiehlt) erblicken wir Frieder auf einer Leiter, sie wächst durch Zimmerdecke, ersten Stock und Terrasse, möchte in den Himmel?
Wo Frieder für unsere liebevollen Blicke noch erreichbar bleibt, doch ausgesetzt allem, das lau, gleichgültig und voll Neid ist…

Hier ist vorerst mal Schluss. Ich muss zurück an den Anfang, Fäden, die unterwegs an dummen Orten zu wachsen begonnen haben, an klugen Stellen Wurzeln schlagen lassen, unerwartetes Dickicht zurechtstutzen, Lücken füllen oder überhaupt das ganze unübersichtliche Zeug wuchern lassen bis zur Katastrophe ohne Katharsis oder umgekehrt.
Viel Arbeit. Vorher Pause.
Kaffee für alle!

 

 

Das überaus Positive und ein paar Wolken

Fränzi reagierte positiv. Am Telefon klang das amüsiert-wohlwollend-überrascht, begleitet von unterdrücktem Kichern und einem ernsten Gegenargument: „Das hat was, Rita: Zwergziegen. Es ist, als hättest du unsere lang gehegten Wünsche durchschaut…Kinder mit Tieren…, und die Kinder wachsen mit, äußerlich und innerlich. Wir hätten schon längst wieder – wäre der Kater damals nicht an dieser doofen Krankheit gestorben.“
Der Tod gehört zum Leben, auch darüber reden wir. Vor allem über das Leben: „Rupert wird ganz gern mitmachen, denke ich. Und vorher unbedingt einwerfen, dass auch Alligatoren über einen gewissen Charme verfügen.“ Dennoch, man müsste alles genau planen, Mit den Kindern.

Und dann das Thema, das in der Luft liegt:
Mozartdelirium.

Fränzi fand es spannend und positiv. Ja, sie war mit dabei, enchanté, und doch wieder von einer Stimme der Vernunft gebremst. Weil, wohin führt das? Über die Euphorie, begleitet vom Schwung des Neuen, zum Kontrollverlust?
…immer, wenn ein Heilsbringer die Massen für sich gewonnen hat, gärte es unter Gegnern. Sie hießen: Neid, Furcht vor Machtverlust und Vernichtet-das-Schöne.
Fränzi: „Rupert ist mehr fürs Rustikale. Aber, wir gehen trotzdem zum Mooozartabend in der Musikschule. Mit Mozartprogramm-“
„Ist nicht leicht, so schnell was einzustudieren“, warf ich ein.
„Wurscht. Belinda hat mir die Einladung gebracht, und wir gehen hin, ist doch klar: Mozartquartette und und. Genuss bei Mozarttorte und Kaffee aus Mozarttassen.“
Wie im Biedermeier, müssen wir uns gestehen. Wenn Wolken aufziehen, sucht der brave Bürger Schutz zwischen vertrautem Gemäuer, bei ebenso braven Mitmenschen.

ES wird mit Mozarts Requiem enden.
Wer wird zu Grabe getragen…?
Unter Jubel, tränenreich?

 

 

 

Wollten wir auf der Seite Mozarts mitschwimmen? Abwarten?
Im Bewusstsein, dass wir Teil des Ganzen sind.

„Weißt, ich hab so viel um die Ohren, ich

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der wahre Aufbruch

Am nächsten Tag rief ich nach einem Taxi. Mag der Trubel toben, mögen Geigen im Himmel hängen – mein Ziel wollte erreicht werden, ohne Umweg.
Der Schoffeur nickte nur zu meinem Wunsch Busbahnhof und klickte auf seine Musikmaschine, die ihr Spiel offenbar nur kurz unterbrochen hatte. Der langsame Satz der Kleinen Nachtmusik füllte den engen Raum…
„Na, Gnädigste, was sagen Sie  zu diesem Theater?“, fragte mich Schoffeur, doch noch bevor ich nach einer positiv (ma non troppo) getönten Antwort suchen konnte, setzte er fort: „Schon geil, irgendwie. Die ganze Stadt tickt auf einmal so – dings. Ein Schwung, und nur wegen dieser Musik! Ich sag Ihnen, das ist besser als Politik. Und Streiterei. Nur, ein neues Schwimmbad kriegen wir vom Herrn Geigenspieler nicht.“
Ich musst ihm zustimmen.
„Und, das Ärgste: Meine Frau hat einen Kurs belegt: Kontretanz. Sie schwärmt jetzt schon. Hin und her zu zweit und durch lange Gassen…“
Mit viel Gelegenheit, andere Hände zu fassen. Blickkontakt zu anderen Augen, ein Wegdrehen und Erglühen…
Der Wagen hielt. Während ich bezahlte, fragte er ein wenig arglos: „Was glauben’s, Gnädigste, soll ich mitmachen? Tanzen?“ – „Das wäre ein guter Ausgleich fürs Taxifahren.“

Der Bus brachte mich ohne Komplikationen weit hinaus aufs Land, ein Spaziergang bergauf zum Kleintierzoo. Eingebettet zwischen Waldrand und Felsen, geschützt durch Zäune: Zwergziegen beim Klettern und Ruhen, beim Spurt, wer als erstes den Ruheplatz auf dem Baumstumpf eroberte. So viel Tüchtigkeit und soo eine Müdigkeit an der Flanke der Mama.
Sollte ich der Fränzi schon jetzt mein Geschenk an Belinda und Coldie und die ganze Familie verraten?
Ein Film läuft ab: Belinda und Coldie beim Betreuen und Liebhaben. Jedes Kind hätte sein Zicklein…und würde ihm Kunststücke beibringen, Bretter zum Drauf-Balancieren anschleppen…
Darf man Zwergziegen zu sehr verwöhnen? Was bewirkt eine Überdosis Salat? Was macht das mit dem Familienleben, wenn die zwei sagen: „Heute schlafen wir bei den Ziegen“?

Das Gemeckere im Gehege, die leisen Geräusche der Hühner nebenan, die Stimmen von Publikum hier und dort… – mit einemmal geriet ich in einen Flow…wie ein Bett aus Fell und Federn und grenzenloser Harmonie zwischen mensch und Tier fühlte es sich an.
Wo war ich am Tag zuvor? In einer gewittrigen Widerstandszelle vor dem Ereignis Mozartmania.

Rückfahrt im Bus: Zwischen den Ansagen der Haltestellen erklang Mozarts Symphonie in G-moll-

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Aufbruch 2

Am nächsten Tag aber, losziehen ohne Aufenthalt! Nur am Rande wahrnehmen, dass hier und dort zwischen den Zweigen der Forsythien ein paar Dreiklänge und Triolen hingen, dass der Bach unter der Brücke melodisch gluckste – ein Wunderbares aber, das mir erfrischend gute Laune machte: Menschen, die mir begegneten, trugen ein Lächeln im Gesicht?! Nein, nicht aufgemalt. Von innen her herzlich, sodass ich es freigiebig erwidern musste und dennoch selbst reich beschenkt weiterging…und – wirklich nur ein belangloser Umweg zum Busbahnhof – auf Seltsames stieß, das sich zwischen Stein und Beton und Dächern als der funkelnde Nachhall einer musikalischen Performance, einer Euphorie mit sich konglomerierenden Teilchen beschreiben ließ. Sie besaßen kaum so viel Substanz wie der Rest einer Regenpfütze mit dem Spiegelbild der Sonne und fuhren mir dennoch unter Haut und Haar und Frühjahrsmantel.

An zwei weiteren Orten in der Stadt ging es mir nicht anders, und bald gehorchten meine Schritte einer unhörbaren Weise: von innen? Von außen dirigiert?

Und dann führte mich der Sound aus Volksfest, Dancefloor, Lachen und Konzertsaal zum Garten neben der Stadtmauer, nicht weit vom alten Marktplatz entfernt.
Meister senkte eben die Violine und sah ein bissl gerührt auf die Leute herab, die langsam zum Stillstand kamen. Sie lösten ihre Hände voneinander, kicherten verlegen und deuteten in hilflosen Gesten nein, so können wir’s nicht, nicht Eure schrägen alten Tänze!
„Es war doch bloß ein harmlos Menuett“, kam es vom Meister zurück. (Heute trug er ein Wams in Dunkelblau) Amüsiert griff er von neuem zu Bogen und Instrument und begann mit dem Streichquartett in D-Dur…so vielstimmig und voll, dass man meinte, Viola, Violoncello und die zweite Geige mitzuhören. Muss ich beschreiben, wie sich Abheben und Schweben wiederholten? Muss ein echtes Glück sein, den Boden unter den Füßen zu verlieren…
Nur wenige andere und ich, wir blieben der Erde verbunden.
Und mitten hinein in eine leise Passage rief ich dem Meister zu: „Wer seid Ihr? Sagt schon, woher kommt Ihr?“

Er antwortete mit einem improvisierten Furioso, das sich in einem blau (?) getönten Sternenregen aus Achtelnoten vor mir ausbreitete.
Noch eine Frage: „Warum seid Ihr zu uns gekommen?“
Die Antwort klang laut und klar: „Weil ihr mich gerufen habt!“
So vor mich hin dachte ich: Wie kann das sein? Eine Stadt, mit allen ihren 25 000 Bürgern ruft?“
Unmittelbar darauf erhielt ich die Nachricht, doch ohne eine Lippenbewegung des Meisters und ohne mein Ohr zu streifen: Drahtlos vernahm ich: Weil Ihr Geschichte erleben musstet, die hart und voll schwerem Schicksal war. Gemeinsam habt ihr alles überwunden. Gemeinsam ist Euch die Sehnsucht nach Schönheit und Harmonie.

Das gibt es nicht, das kann nicht sein.

Doch. Es ist die Wahrheit.

Ich könnte sagen gut, mich ins Treiben gleiten lassen und viele Glücksmomente ernten.

So wie ein Sommerregen sich selbst in seiner Wohltat feiert, zugleich aber auch segnet und wirkt.

Ich kann es nicht. Fühle mich doch wie eine Gewitterzelle, die sich elektrisch auflädt und blitzt und, mit ihrem schweren Donner vergehend, sich selbst behaupten möchte!