Hören. Lesen. Schreiben 6. Was herauslesen

Freundschaft war es, glaub ich. Nicht ganz dick, nicht so innig, dass wir einander alles (A L L E S !) anvertraut hätten. Nachher, schon weit weg von dort, war ich traurig. Über versäumte Gelegenheiten, flüchtige Nähe. Annäherung, nur um wieder meine eigenen Wege zu verfolgen.
Erst später wuchs, so schien es mir, mit der Zahl der Briefe auch die Freude an imaginierter Gegenwart dieser teuren Person-in-der-Ferne. Aus jeder Zeile, die G mir schrieb, sprach ihre Stimme. Ein bissl rau. Anklang an eine leichte regionale Besonderheit – aber kein Dialekt – , die Mischung aus Schusseligkeit und Herzlichkeit. Wenn ich nach dem Lesen die Augen schloss, saß G mir gegenüber und hatte mir eben ihren Brief vorgetragen.
Und ich konnte nichts, nichts tun, außer zu antworten. Dabei die Überschneidungen von unseren Kreisen und Horizonten suchen: Kultur, Familie, sprühendes Leben, auch in einem Umkreis von bescheidenem Ausmaß. Doch, die Energie, mit der sie dieses Leben gestaltet hat, sprach auch aus den Schriftzeichen, die immer höher, weiter hinaus wollten als das Papier ihnen erlaubte.
Meine Besuche „dort oben“, ungefähr 260 km weit weg vom Meer, habe ich gefeiert. Wollte etwas gutmachen. Hab ich das gut gemacht? Vieles mitgenommen und aufbewahrt als Kostbarkeit.
Ab und zu hat G mir Fotos geschickt. Energie, eingezwängt in zweidimensionale Enge. Momentaufnahmen mit Ahnung, wie der Film dazu ausgesehen hat. Das Gegenteil von blass, auch unter Bäumen.
Die Zeit und der Raum und unsere eigenen Jahre haben die Möglichkeiten des Wiedersehens ausgetrickst. Müdigkeit? – Mein nicht-fortfahren-Können-Dürfen wg. kleiner „Landwirtschaft“?
G’s Briefe der letzten Jahre wurden zu Kärtchen. Wünsche drin, im Überschwang. Für mich. Die Schrift zittrig?

Und jetzt?
Warten?
Abschied?
Ein Brief als Abschied ist viel endgültiger als die Hoffnung, dass irgendwann ein Kärtchen, nur so, mit krakeliger Schrift bei mir ankommt und sagt: Alles ist gut. Ich bin nur ein wenig müde.
Ja. Müde.
Die liebe teure G: Wie bin ich dankbar für alles.

 

 

Hören. Lesen. Schreiben 5. Gestalten auf Abwegen, schwankend

Schön Scheitern – Blog 1 – kann auch Vergnügen bereiten.
Ja, ich freue mich, wieder zu meinem unvollendeten Text PaminaFinden zurückzukehren.
Nur, was hat die Personnage inzwischen angestellt?!

Nike hat wieder zu rauchen begonnen. Margot und Lars verbieten ihr das, weil, in einer sich anbahnenden Weh-Geh, was man noch nicht wissen darf—
Margot spinnt auf exaltierte Weise ihren Italien-Traum weiter, anstatt zu arbeiten, und Lars verabschiedet sich viel zu früh von seinem pubertären Bike&Leder-Tick.
Robin narrt uns alle mit Hinweisen auf seine Person: Was geschah ganz am Anfang? Obwohl schon sein Name…

Es reicht. Eingreifen und Ordnung schaffen, heißt es nun. Vor allem aber Disziplin. Das Ziel der Reise bestimme immer noch ich. Doch, der Weg dorthin…? Verborgen im Nebel?
Viel besser wäre es, in der Geschichte zu leben, mit freundschaftlichen Beziehungen zur real existierenden Welt.
Oder doch besser gleich Klausur?
Klösterlich abgeschieden mit Zicke Nike und dem Rest vom Team + PC?

Was ist es, das den Schreibenden befiehlt, aus ein paar Gedanken, also Luft, ein Dings zu gestalten, das auf dem Umweg über einen – gemessen am Volumen – mickrigen Haufen schwarzer Buchstaben – in andere Köpfe wandert und dort wieder zu Luft/Gedanken wird?
Ein Dings, das die Macht besitzt, seine Leser zum Ausruf zu bewegen: Dieses Buch hat mein Leben verändert!
Manche Bücher verändern Menschen, Völker jahrhundertelang. Eines ganz besonders: Verfasst in Griechisch, Hebräisch und Aramäisch, und es war auch kein Buch, sondern bestand aus vielen Rollen und ist sehr, sehr heilig.

Ich hör jetzt auf. Muss arbeiten. Und leben.
Schreiben = Leben, diese Behauptung trifft für mich nicht zu.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Hören. Lesen. Schreiben 4. Über Föhren schreib ich

 

ein Buch, sagst du, über ihren Duft, die Zapfen und das Harz. Rinde von Schwarz-, Rot-Weißföhren und Zedern und Zirben sollen mit hinein –

Ein Großes Buch muss das sein, sag ich –

Ja. Denn auch das Rauschen der Wipfeln und die tiefen Wolken vor einem Wetter und das feuchte Moos und das Strömen des Regens, alles muss ins Buch. Und der Nebel am nächsten Morgen, und die Sonnenreflexe in den Spinnennetzen. Wenn aber die Holzfäller kommen mit ihren Äxte und Sägen, tu ich den Lärm dazu, ebenso wie das Atmen der Rehe auf der Flucht-

So flüchtig sind auch die Geräusche! Wer soll sie lesen…-

Dann lege ich Winter, Frühling, Sommer und Herbst und viel Geduld zwischen die Seiten. Bis die Bretter aus dem Sägewerk duftend vor uns liegen. Wie sie sich anfühlen, wie sie riechen, wie sie verlocken, was Gutes draus zu machen: Gleich zur Säge greifen, bloß, welche ist die richtige? Und die Schrauben, die Feilen – glaub, ich bastle so eine Pop-up-Werkstatt im Miniaturformat! Alles dabei, hundert Schubladen und eine Werkbank-

Das geht nicht, das ist total unmöglich-

Und eine Mahnung zur Vorsicht pinne ich an die Werkstatttür, sonst Blut! Und, bitte Eile, den Erste-Hilfe-Kasten zu finden (Er hängt auf der dritten Seite von hinten, links oben)-

Du bist verrückt-

Wenn aber Finger verletzt oder die ganze Hand: Hüte dich vor grässlichen Flüchen! Sie rächen sich!
Zwischendurch zeige ich, wie man Wassertriebe an Obstbäumen entfernt, damit sie mehr Früchte tragen und nicht zu viel Schatten auf die Weide fällt. Dort sind Zaun und Gatter inzwischen fertig. Zwei Riegel und alles gestrichen mit grüner Lasur – bitte nicht anfassen-

Ich fass dein verrücktes Buch sowieso nicht an-

Nun auch noch was Lebendiges dazu, das grast und trinkt und kackt und sich pflegt und Junge bekommt. Dort im Schatten aber werden Brot und Käse und Wein servie—

Das ist kein Buch!

Eh nicht.

Und, was dann?

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Hören Lesen Schreiben 3. Es drang so intensiv

und so nah heran an die ferne Sozietät, dass ich mich in das Buch verliebte…und las und las, bis mich die Schwermut der Atmosphäre selbst ergriff, bis das Leid, das aus Wurzeln spross, Ausläufer bildete und sich an den Menschen hochrankte, das Wort Ausweglosigkeit um mich auftürmte und ich das Buch weglegen musste.

Und jetzt hinaus ins wirkliche echte Leben, mit Sonnenschein und Blumenwiese, mit Kätzchenvideos, Glanz & Glitzer und Cocktails und Adern, Bächen, Flüssen und schwarzen Tümpeln aus Leid, das versickert, neu entspringt und seine Wege sucht und verführt, auch das Leben wegzule—

Hören. Lesen. Schreiben. 2 Nach den Sommerferien

lockten mich nicht nur neue Lehrer und die Kinder vom Vorjahr. Die Bücher waren es, und die Freude, sie in den Händen zu halten, mit ihrem Geruch nach Papier und Bildern und dem Weiter, immer Weiter beim Umblättern. Buchstaben bauten Tore und luden zum Entdecken ein: Waldviertel und Wachau, Menschen, Feiern, Krankheit, Hochzeit, Pest und Lokomotiven und der Fortschritt. Mittendurch floss die Donau – ein beruhigendes, ein mächtiges Wort.
Es war die Zeit, als unsere Wege von Milch-Holen und Sonntagsausflügen bestimmt waren. Und wenn ein Flugzeug zu hören war, rannten wir ins Freie und wussten: So weit werden wir niemals reisen.

Eine gute Zeit.

Eine bessere Zeit?

Wer es wagt, wer es kann, erforscht Gnome und Riesen in den unbekannten Wäldern vom Waldviertel /
vergisst sein Smartphone und träumt vom Kampf gegen die Monster des Universums.