Lesen. Schreiben. Hören. 39 Endspurt IV

Endspurt dauert. Er mutiert zum Marathon.
Die bisher letzte Überarbeitung lief („lief“!) bis Seite zweihundertnochwas ziemlich locker/mühsam /total konzentriert , also normal.
Dann bemerkte ich, dass word die Änderungen nicht gespeichert hatte.
Frust. Schluss.
Ende, sonst endloser Frust.

Niemand wird diese Arbeit von mir einfordern.
Die Welt hat nicht darauf gewartet.
Wer hat ausreichend Reserven, Bücher zu kaufen, zu lesen?
Wen will ich damit erreichen? Bildungsferne Mitmenschen?
(Sie werden zahlreicher. Und mächtiger. Sie sind in der Lage, Projekte im Keim zu ersticken.)
An Verlagstüren klopfen und leise fragen: Wer will mich?
Bin dagegen. Man soll mich willkommen heißen! Mit freundlichem Kaffee und golden Handshake, dieser diene gefälligst der Begrüßung.

Ein ungedrucktes Buch, vielseitig, nur ohne Seiten aus Papier, ein fertig gedachtes Oevre, würde in der Welt sein. Als mein Atem und nicht-materieller Puls. Als Möglichkeit, sich in einer blühenden Zukunft selbst zu verwirklichen.

Pause, danke, sehr angenehm.
Pause. Ohne Ruhe.
Pläne voll Zuversicht streiten mit ihren verhärmten Brüdern.
Vielleicht… sollte ich dem Projekt eine Chance geben?
Noch eine einzige Überarbeitung.
„Word-spinnt und hat nichts gespeichert?“ –
„Na und“, frage ich zurück, „hat mir die Verzögerung nicht den Schubs verpasst, alles besser zu machen?“
Morgen fange ich an. Mit dem Ende vom Endspurt.

Lesen. Hören. Schreiben. 38 Endspurt III

ES ist noch immer nicht fertig. Korrekturen hier und da hatten Änderungen dort und dort und dort, also fast überall, zur Folge. Und eine hefitge Sehnsucht nach dem Ende.
Pause. Bitte. /
Auf diese Weise entfernst du dich vom Sujet /
Mein Unterbewusstsein bleibt dran. Ist versprochen. /
Ist es nicht dein Unterbewusstsein, dass dir die unnötig vielen Trägheitsmomente einflüstert? /
Ich bin nicht träge. Stundenlang Äpfel auflesen, sortieren, verschenken, dörren /
Du suchst Gründe, dich vom Schreibtisch zu entfernen! /
o) Äpfel, die verfaulen könnten, sind ein guter Grund.
o) Im Garten schweifen meine Gedanken weit herum, suchen angenehme Landschaften ohne Zwischenrufe. Meist aber steigen Worte, sinnvolle Worte und Sätze aus dem Karottenbeet auf. Ein formales Problem wird durch die passende Vision mitten  im Kompost gelöst. Farblose Passagen erhalten durch Input im Paradeisspalier ihre frische Tönung -/
Bis du zurückfindest zum PC, hastu doch alles vergessen /
Stimmt nicht. Weil, Stichworte, die zu Assoziationen führen, merke ich mir sehr wohl. – Wohl, das führt mich zurück zum dringenden Wunsch nach Pause. Musik hören. Ein gutes Buch lesen. Die Klassiker aufwärmen-/
bis es wieder und wieder spät am Tag, zu spät in der Nacht ist, bis du dir sagst: Nur ein paar Minuten ruhen. Bis du nach Stunden aufwachst mitm Gwand im Bett und bald der neue Tag- ach was, mach was du willst. /
Pause! /
Um diese unverdiente Auszeit wettzumachen, könntest du das Ganze von Anfang an noch einmal prüfend lesen, und zwar mit den Augen des Lektorats /
Mach ich schon die ganze Zeit. Zeit, die mir ein gutes Gefühl verpasst hat. Gefühl, das sagt: alles wird gut.

Lesen. Hören. Schreiben. 37 Endspurt II.

Alles passt.
Stimmt nicht.
Zweifel wachen auf. Wachsen, versammeln sich. Eine unheimliche Gesellschaft, irgendwie vermummt, zu keiner klaren Aussage fähig. Agiert mit psychologischen Tricks und ist mit Autorität („Hinweg!)“ nicht zu bekämpfen.
Maßnahmen:
o) Den Text mal ruhen lassen. Nicht neu aufkochen, nicht gären lassen.
o) Noch mehr recherchieren. Und wenn es nur ein Detail bestätigt, ergänzt und bestens positioniert, smile.
o) Extra-LeseDurchgang, nur um Adjektiva zu prüfen und ev. zu streichen. – Ausgeschlossen. Ergebnis zu unvorhersehbar, ernüchternd, deprimierend, und es macht die Satzrhythmen kaputt.
o) Selbst mal ruhen. Oke. Nur, ich hab den Verdacht, Text schleicht sich heran und stört.
o) Sinnvolle Ablenkung: Lässt sich aus Opernzitaten eine Geschichte basteln? – Am stillen Herd zur Winterszeit will der Herr Graf ein Tänzchen nun wagen… / Motivationsmotivation: Belohnungen fürs Après planen. / Schlafen.
o) Den Anfang umschmeißen und neu schreiben. Er ist nur noch mit Unmengen an Kaffee und Disziplin zu lesen, weil zu oft durchgekaut, überflogen, ertragen. – Einwand: Ein neuer Anfang unterminiert den ganzen Rest.
Was ist zu tun?
Weitermachen. Bis zum Ende. So einfach schreibt es sich hin.

Hören. Lesen. Schreiben. 36 Exxkurssse: Ja!

Ich kann Exkurse gut leiden. Sie müssen nirgendwohin führen. Sie machen die handelnden Personen zu einem Kurzzeitspielball des Unwägbaren. Und wenn nach dem Exkurs die Handlung an den Ausgangspunkt zurückzukehren scheint,  befindet sie sich bestimmt zwei Meter weiter / daneben / ver-rückt.
Ungefähr so:

Person A und Person B auf Reise. Sie belegen zwei gegenüberliegende Sitzplätze im Intercity von C nach D.
Person A liest.
Person B beobachtet Person A auf abwertend-amüsierte Weise, weil das Buch ihm offenbar selbst bekannt ist. Als Person A für Sekunden aus der Lektüre auftaucht und die Augen sich in einem Blick auf die Felder vorm Zugfenster erholen lässt, wendet Person B sich mit einer höflichen Frage an Person A: …diese authentischen Erinnerungen an die Kindheit. Als wüssten Kinder um die Lügen, die Unvollkommenheiten ihrer Eltern, um sie Jahrzehnte danach wiedergeben zu können: als bedeutsam schon früh erkannt!

A: Es ist das selektive Hervorkramen, im Dienst einer überzeugenden Dramaturgie, würde ich sagen.

B: Trotzdem unehrlich. – Wenn ich mich erinnere, mir fällt als erstes ein, dass ich nie Hunger leiden musste.  Lacht. Und der Duft von Ofenkartoffeln!

A:  Ofen-was? Es heißt natürlich Bratene mit Salz und Butter!

B: Ofenkartoffeln!

A: Bratene mit Butter und Salz!

B: Ofenkartoffeln! Mit Rahm und Schnittlauch!

A: Rahm? Wo sind wir denn, in Ungarn?

B: Ungarn! Ich denke so gerne daran…Ungarn, Plattensee  und Krumplik

A: Steckt da drin nicht unsere Mundart-Version GrundBirn?

B: Und die Verwandtschaft aus dem Westen: Pommes de terre. Man glaubt, die feuchte Erde zu riechen…
Ich baue jedes Jahr eine andere Sorte an. Und möchte meine Enkel motivieren, mitzugraben, zu ernten. Aber, die haben zu tun, Sport und Freunde…

A: Wenn sie sich später an diese Zeit erinnern werden, sehen sie die Flucht aus dem Garten? Oder die liebevolle Geduld des Großvaters? Oder eine näherkommende, diffuse Bedrohung, die einem zuraunte, Wintervorräte anzulegen? –  Sie steigen schon aus?
B: Es muss sein.

Sie wünschen einander Glück und Gesundheit.
Über das Buch? Fällt kein Wort mehr.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Lesen. Hören. Schreiben. 35 Endspurt I.

Der Roman will fertig werden.
Überarbeiten dauert noch. Hier korrigieren, dort löschen. Löschen Rückgängig machen. – Das große Ganze im Auge behalten, dabei 2/3 der Details vergessen. Neue Notizen, viele viele Notizen auf fliegenden Blättern. Ganz unübersichtlich. Bunt markieren?
Missing links in die Lücken zwängen, dann zweifeln, Problem aufschieben, und nun aber zu etwas ganz anderm, dem Schluss, der sich auf den Anfang bezieht, nur befindet sich der Anfang unter dichtem, grauem Nebel. Keine Sonne in Aussicht, nur Pause mit Kaffee und vielen Kalorien, sonst Schwächeanfall.
Überhaupt alles zuviel, vor allem zu viele Worte. Vielzuviele Buchstaben. Die Hälfte wegmachen? Oder nicht, sonst Reue.
Und die Logik. Wann kam der Schlafsack das erste mal ins Spiel? Geht ein Ort, ein Stadtteil, den Autorin nie aufgesucht hat? Was taucht auf, um zu bleiben? Was erscheint und stirbt? (oder geht verloren) Wer oder was bewegt sich scheinbar willkürlich zwischen den Passagen umher?
Warum sind mir alle Protagonisten zumindest ein bisschen sympathisch? Jetzt noch ein abgrundtief böses Wesen implantieren? Auch kein corpus delicti weit und breit, auf den gefühlt 999 Seiten nicht. Zu spät, zu spät.
Moment der letzten Anspannung: Lay-out festlegen. Hier und dort komplizierter als erwartet. Warum funtkioniert das nicht? (word spinnt) Und das harmonische Erscheinungsbild und die Geduld und die Nerven.
Deadline verschieben. Schlafen, Essen, Gartenarbeit.
Das Leben ist schön. Manchmal.